Mannheimer Morgen: Kantor zieht alle Register

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Oststadt: Orgelführung in der Christuskirche
Kantor zieht alle Register

Wer kennt ihn nicht, den himmlisch süßen "Dulcian" oder aber die sehr geschätzte und gefürchtete "Vox Humana" (menschliche Stimme)? Bei der Orgelführung in der Christuskirche in der Reihe "Hinter den Kulissen" mit der kulturpolitischen Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Helen Heberer, zog Kirchenmusikdirektor Johannes Michel vor weit mehr als 100 musikbegeisterten Mannheimern an der Orgel alle Register seines Könnens.

Die 1911 eingeweihte Christuskirche ist die evangelische Hauptkirche Mannheims. Sie ist Zentrum der Kirchenmusik mit circa 70 Konzerten und kirchenmusikalischen Veranstaltungen mit insgesamt 20 000 Besuchern im Jahr. Ein wahrer Schatz im unzerstörten Jugendstilbau mit Fresken, Glasfenstern, Reliefs und Skulpturen ist die Steinmeyer-Orgel aus dem Jahr 1911, die zu den bedeutendsten Orgeln der deutschen Romantik gehört. Mit vier Manualen und Pedal, 96 Registern und 7869 Pfeifen ist sie heute die zweitgrößte Orgel in Baden-Württemberg und die größte Denkmal geschützte Orgel.

"Weil im Krieg nicht zerstört, ist die Orgel tatsächlich im Originalzustand", so Michel. 1936 wurde die Orgel elektrisiert. Der farbige, ausdrucksstarke Klang des impressionistischen Instruments mit Registercrescendo umbrauste die Besucher majestätisch. Und doch konnte der Musikdirektor der prächtigen Orgel auch ganz zarte, leise Töne entlocken, die geradezu vom Himmel zu kommen schienen, dank einer einmaligen Anlage mit einem Fernwerk in der Kuppel der Kirche.

Aus Spendengeldern wurde 1988 die kleinere, aber nicht weniger klangvolle Marcussen-Orgel auf der Südempore angeschafft, angeblich weil das erste romantische Instrument sich nach heutigen Maßstäben für den expressionistischen Bach nicht eignet, sagte Michel.

"Was ist eine Orgel?", fragte er, und erläuterte anschaulich durch Betätigen der zwei Manuale und Pedale die einzelnen Funktionen und das Zusammenspiel der 31 Register und 2365 Pfeifen der vollmechanischen Orgel im Stil des 18. Jahrhunderts. Während der Musikdirektor die Toccata in F-Dur von Johann Sebastian Bach zu Gehör brachte, konnten die Besucher beim Gang um die Barockorgel herum zur Mittelempore einen Blick in das Innere des im hinteren Bereich geöffneten Instruments werfen.

Auf der Gruber-Orgel (2004), die über ein Manual, fünf Register und 238 Pfeifen verfügt, spielte Kirchenmusikdirektor Michel dann drei kleine Sätze. Plötzlich ertönte Vogelgezwitscher. Hat doch der Orgelbauer ein Rossignol - einen kleinen Scherzartikel, der gern in Orgeln eingebaut wird: zwei kleine Pfeifen, die auf dem Kopf stehen in einem Wasserbad - installiert.

Zum Ausklang spielte Johannes Michel an der Steinmeyer-Orgel noch eine hinreißende Toccata in F-Dur aus der 5. Sinfonie von Widor. Stadträtin Heberer dankte dem Musikdirektor für die "sehr beeindruckende Führung auch zu Inhalt, Technik und den Kunstgenuss als Krönung". ost

Mannheimer Morgen
3. Februar 2010

 
 

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