Von der Tragik der SPD

Presseecho

Zu einer szenischen Lesung hatten die Mannheimer Literaturinitiative LeseZeichen! und der Verein Stadtbild zusammen mit dem Marchivum eingeladen. Die literarisch musikalische Zeitreise mit Peter Reichel und Erich Schaffner im Lesesaal des Marchivums erinnerte an Reichskanzler Hermann Müller, der 1876 in Mannheim geboren wurde und der beim Mannheimer Reichsparteitag der SPD im Rosengarten zum hauptamtlichen Parteisekretär gewählt wurde, als Grundstein für seine weitere Karriere.

„Heute erinnern sich viele Mannheimer Bürger nur noch durch den Namen einer Straße an ihn“, bedauerte Helen Heberer, Vorsitzende des Vereins Stadtbild und mit Raimund Gründler Veranstalter der Literaturreihe LeseZeichen! Sie dankte dem Leiter des Stadtarchivs, Ulrich Nieß, der den Raum zur Verfügung stellte, für die gut besuchte Veranstaltung mit zwei hochkarätigen Protagonisten.

Peter Reichel stellte gemeinsam mit dem Schauspieler und Sänger Erich Schaffner sein Buch „Der tragische Kanzler: Hermann Müller und die SPD in der Weimarer Republik“ vor. Dabei ließ er nicht nur die Person Hermann Müller und die Epoche, anlässlich 100 Jahre Weimarer Republik, lebendig werden, sondern er zog auch Parallelen zu den aktuellen Diskussionen im Parteivorstand der heutigen SPD über die ungeliebte „Große Koalition“.

Zwischen Partei und Republik


Wer war Hermann Müller? Und warum war er – wie Peter Reichel schreibt – ein tragischer Kanzler? Der SPD-Politiker spielte in der Weimarer Republik eine zentrale Rolle, als Reichstagsabgeordneter, Fraktionsführer, Parteivorsitzender, Außenminister und Kanzler. Doch am Ende scheiterte er nicht nur an den Problemen durch die Weltwirtschaftskrise und dem Gegensatz zum Koalitionspartner DVP, sondern auch an Teilen der eigenen Partei, die nicht zu Kompromissen bereit waren.

Am 27. März 1930 zerbrach die Große Koalition von SPD, DVP, DDP und Zentrum. Der letzte demokratisch gewählte Reichskanzler Hermann Müller trat zurück. Am 30. Januar 1933 wurde Hitler zum Reichskanzler ernannt. Schon damals war die SPD zerrissen, so Reichel. Hermann Müller, der sich nicht entscheiden konnte: zwischen der Notwendigkeit, die Partei zusammen zu halten, oder die Republik zu unterstützen – auch durch ungeliebte Koalitionen. „Dass er die Parteiräson über die der Republik stellt und damit zu ihrer Destabilisierung beiträgt, das wird man ihm wohl vorwerfen können“, sagte Reichel. Er gab der SPD eine Mitschuld am Scheitern der Weimarer Republik.

Peter Reichel, der bis 2007 an der Universität Hamburg die Historischen Grundlagen der Politik lehrte, hat keine Biografie seines Protagonisten geschrieben, sondern nur seine Zeit als Berufspolitiker geschildert. Man musste als Zuhörer schon über vieles in dieser Epoche gut Bescheid wissen, um Reichels Darlegungen folgen zu können.

Zur Auflockerung zwischendurch las und sang Erich Schaffner, vielen bekannt aus der Fernseh-Krimiserie um Kommissarin Hannelore Elsner, Texte und Lieder von Tucholski bis Brecht. ost

© Mannheimer Morgen, Freitag, 03.05.2019

 
 

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