Mannheimer Morgen: 280 Kilometer Fahrt pro Akte

Presseecho

Reform: Grundbuchämter Mannheim und Heidelberg sollen nach Tauberbischofsheim / Widerstand bei der Landes-SPD

280 Kilometer Fahrt pro Akte
Von unserem Redaktionsmitglied Roger Scholl

Verwaltung straffen, Grundbuchämter zusammenlegen - für die Landesregierung offenbar eine Zukunftsformel. So weit, so gut. Doch der Mannheimer muss damit künftig unter Umständen ins über 140 Kilometer entfernte Tauberbischofsheim fahren statt wie bisher mal eben in N 7 vorbeizuschauen. Will er dort Einsicht in manche Akten, die bis jetzt hier in den langen Regalreihen stehen, werden die dann womöglich erst aus Freiburg auf Lastwagen an die Tauber gekarrt, denn auch sie sollen an einer zentralen Stelle im Land gelagert werden.

"Administrative Katastrophe"
Als "administrative Katastrophe" geißelte die Mannheimer SPD-Abgeordnete Helen Heberer gestern diese Reformplanungen der Landesregierung. Schwarz-Gelb mute nicht nur dem Bürger einen deutlich schlechteren Service zu, nein, auch Erfahrung und Know-how der 40 Mitarbeiter in Mannheim und ihrer 27 Heidelberger Kollegen gehe verloren. Schließlich werde keiner von ihnen in Kauf nehmen, täglich mehr als 280 Kilometer zum neuen Dienstsitz hin und her zu pendeln. Damit nicht genug: Zumindest hinter der Standortentscheidung für Tauberbischofsheim vermutet die SPD-Frau schlicht parteipolitisches Kalkül.

Die SPD jedenfalls will, daran ließ die streitbare Sozialdemokratin keinen Zweifel, jetzt nochmal alle Hebel in Bewegung setzen, diesen "nicht nachvollziehbaren" Kurs der Stuttgarter Regierung zu kippen. Das unterstrich auch ihr Parteikollege Rainer Stickelberger, der rechtspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion war eigens zur Pressekonferenz nach Mannheim gereist, um zu unterstreichen, dass es schon "fünf vor zwölf" sei: "Der entsprechende Entwurf ist in der Anhörung - und die Regierungskoalition wild entschlossen, das Gesetz genauso auch durchzudrücken." Auf der Suche nach Verbündeten weiß die SPD nicht nur die Beschäftigten in den Grundbuchämtern auf ihrer Seite. Auch die Städte und Gemeinden will man als Mitstreiter gewinnen. Stickelberger: "Die Grundbücher sollen digitalisiert werden, wenn die Kommunen bei sich vorort so genannte Einsichtsstellen als bürgernahen Service wollen, müssen sie das selbst zahlen". Für Wirtschaft und Verwaltungen seien die Grundbuchämter überdies fast täglich Ansprechpartner.

Wie wichtig freilich die Hilfe der Beamten und Angestellten dort noch immer ist, machten unter anderem Ferdinand Förster, der Mannheimer Notariatsdirektor, oder Gertraud Gersbach vom Heidelberger Amt deutlich. Geht es bei einem Immobilienverkauf etwa um verbriefte Wegerechte, müssten in komplizierter Recherchearbeit oft fünf, sechs über 100 Jahre alte Akten zu Rate gezogen werden - und damit sei der Laie einfach überfordert.

Warum sich die Landesregierung ausgerechnet das beschauliche Tauberbischofsheim als Standort auserkoren hat und nicht das Herz der Metropolregion, will Helen Heberer auch nicht recht einleuchten: "Dafür gibt es keinen vernünftigen Grund". Es sei denn, Staatsminister Wolfgang Reinhart wolle seinem Wahlkreis dort vor dem anstehenden Urnengang noch etwas Gutes tun. "Das darf man mal vermuten".

Mannheimer Morgen
15. April 2010

 
 

Pressemitteilungen