Mannheimer Morgen: Tiertafel braucht neues Quartier

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Futterstelle: Lagerräume in der Eisenlohrstraße reichen nicht aus / Freitags-Ansturm der Bedürftigen nur schwer zu bewältigen
Tiertafel braucht neues Quartier

Von unserem Redaktionsmitglied Susanne Räuchle

Seine gepflegten Huskys hat der junge Mann voll im Griff, die Finanzen nicht, die laufen ihm davon, seit er nach der Lehre nicht übernommen wurde, und ziehen ihn in die Eisenlohrstraße. Dort trifft er auf eine Schicksalsgemeinschaft, steht bei dem Hartz-IV-Empfänger, der seinem Hund alles geben kann, bloß keinen gefüllten Fressnapf, schwätzt mit der Kleinstrentnerin mit großem Herz für ihre drei Katzen...

Ungefähr 125 Bedürftige stehen jeden Freitag vor der Tür, wenn die Futter-Ausgabestelle öffnet und Anette Elm mit ihren zwölf ehrenamtlichen Mitstreitern die gespendeten Konservendosen oder die Spreu und dazu ein paar aufmunternde Worte verteilen.

Im Januar hat im Wohlgelegen diese erste Tiertafel in Baden-Württemberg eröffnet, und schon ein halbes Jahr später platzt die Anlaufstelle für bedürftige Tierhalter aus allen Nähten, ist der Hinterhofschuppen viel zu eng. Wohin in den zwei kleinen Buden mit den sperrigen Spenden, dem Vogelbauer oder Hasenstall? Wie den Bau abdichten, damit sich nicht nach jedem Regen Wasserlachen bilden, damit Mäuse nicht an den Vorräten knabbern?

Noch halten die Elm-Getreuen mit erfinderischer Logistik dem Freitags-Ansturm stand und regeln das Kommen und Gehen, doch der Bedarf steigt, und die ganze Not mit den Vierbeinern läuft auf den Hinterhof zu.

Inzwischen hat man das Aufjaulen auch in der Politik gehört. Die SPD-Landtagsabgeordnete Helen Heberer macht sich bei der Stadtverwaltung stark, sie patroniert das Futterhilfswerk und bat nun die Stadtverwaltung zu prüfen, in welchen städtischen Liegenschaften es Leerstände gibt, die Elm und ihr engagiertes Dutzend für ihre Zwecke nutzen könnten. Gesucht wird ein Hinterhaus, ein Ladengeschäft, eine Werkstatt oder eine kleine Halle - jedenfalls ein ebenerdiges und leicht zugängliches Quartier, möglichst in einem Brennpunkt und mit Anbindung an die Straßenbahn. Und, so Heberer, andere Kommunen würden sich bei Tiertafel-Projekten engagieren, auch Mannheim stünde es gut an, sich hinter die Initiative zu stellen. Gegenwärtig finanzieren Mietpaten das 70-Quadratmeter-Depot, in dem jede Woche rund 400 Kilo Futter ausgegeben werden.

Einstweilen rückt alles dort dicht zusammen, wo es eine Wochenration Futter für die Tiere gibt, denen alle Zuneigung gehört. "Bevor meine Tiere hungern, ess' ich lieber selbst nichts!" sagen viele, auch wenn ihnen die Meerschweinchen oder Katzen über den Kopf wachsen.

Man kann ohne die Vierbeiner nicht leben, sie retten vor Einsamkeit und Trübsal, manchmal sogar vor dem Tod. Eine Diabetikerin berichtet, wie ihr in der Badewanne die Sinne schwanden. Hätte ihre Schäferhündin nicht treu auf der Matte gelegen und Laut gegeben, den Mann alarmiert - die Frau wäre gestorben.

Mannheimer Morgen
4. Juni 2010

 
 

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