"Heile Vereinswelt gibt es nicht mehr"

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Neckarau: Feierstunde zum 125. Geburtstag des Turnvereins 1884 / Viel Lob für Jugendarbeit und Festhalten an Traditionen, aber auch Diskussion "heißer Eisen"
"Heile Vereinswelt gibt es nicht mehr"

Von unserem Redaktionsmitglied Konstantin Groß

Mit einer Feierstunde in seinem Vereinshaus hat der Turnverein 1884 Neckarau am Wochenende den Reigen der Jubiläumsfeierlichkeiten anlässlich seines 125-jährigen Bestehens eingeläutet.

Im geschmückten großen Saal des Vereinsheims im Baloghweg versammelten sich an jenem Samstagmorgen Vertreter aus Sport und Politik, allen voran Landtagsabgeordnete Helen Heberer und Erster Bürgermeister Christian Specht. Für die Vertreter des Sports sei hier Turner-Legende Richard Möll genannt.
Moderner Verein

"Wir wollen nicht hoch hinaus, obwohl große Sprünge eigentlich unsere Sache sind", scherzte Vereinschef Michael Schwarz, als er den Gästen seinen Verein vorstellte. Statt eines nostalgischen Blicks in die Vergangenheit verwies er auf die Anforderungen der Zukunft, denen sich die Vereine stellen müssten: "Als moderne Dienstleistungsunternehmen, die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werden."
Wichtig für Gesundheitsvorsorge

Helen Heberer, die einst selbst aktive Turnerin und später Vorsitzende eines Turnvereins (der TG Mannheim) war, lobte vor allem die Jugendarbeit des Vereins: "Dies ist gerade wichtig in einer Zeit, in der der Schulsport zu Gunsten der kognitiven Fächer immer stärker zurückgedrängt wird." Viele Krankheitsbilder des heutigen Menschen begännen schlicht mit Bewegungsmangel.

Zudem lernten Jugendliche im Sportverein Tugenden, die ihnen ihr ganzes Leben lang nützlich sein könnten wie etwa Respekt und Teamgeist, Solidarität und Fairness: "Beim Sport kann man vieles lernen für das Leben", so die Abgeordnete.
Lehren aus Winnenden

So lernt man im Verein zum Beispiel auch das Verlieren können. Ein junger Mensch, der dabei in der Gemeinschaft geborgen sei, raste nicht gleich aus, mahnte Erster Bürgermeister Christian Specht unter Hinweis auf den Amoklauf von Winnenden: "Der Verein kann Menschen retten, sogar Menschenleben".

"Ich bin in Sorge, ob die Rahmenbedingungen, die die Politik den Vereinen setzt, noch in Ordnung sind", bekannte Stadtrat Roland Weiß in Vertretung des Oberbürgermeisters. Natürlich sei das Ziel der Stadt richtig, in 50 Prozent aller Mannheimer Schulen eine Ganztagesbetreuung anzubieten. "Allerdings sollten wir aufpassen, dass wir am Ende nicht einen Scherbenhaufen unter denen anrichten, die sich schon immer um Jugendliche gekümmert haben." Diesem Thema widmete sich auch der Vorsitzende des Sportkreises Mannheim, Michael Scheidel. Er lobte Schwarz als "heftigen Mitstreiter" im Bemühen, die Probleme der Ganztagesschule für die Vereine zu thematisieren.

Konrad Reiter, der Vorsitzende des Turngaus, dankte dafür, dass der TV die klassische Disziplin des Geräteturnens aufrecht erhalte. Den Walter-Kolb-Schild, eine der höchsten Auszeichnungen des Deutschen Turnerbundes, überreichte Prof. Richard Möll. Unter den Mannheimer Vereinen, so Möll, stehe der TV an zehnter, unter den über 400 Vereinen im Sportkreis an 30. Stelle.

Gleichwohl dürfe sich auch der TV nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen: "Die heile Welt der Vereine gibt es nicht mehr." 50 Prozent der Turnvereine verlören derzeit Mitglieder. Ursache seien die Individualisierung, die demographische Entwicklung und die Konkurrenz.

Für die Neckarauer Vereine gratulierte der Schatzmeister der Interessengemeinschaft (IG), Werner Schneider, der einst selbst fünf Jahre im TV aktiv war, für das Gewerbe der stellvertretende Vorsitzende der GdS, Matthias Schmitt, Gerhard Keller von der BB Bank überreicht eine Spende in Höhe von 4000 Euro.

Die Feierstunde endete mit der Nationalhymne.

Mannheimer Morgen
18. März 2009

 
 

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