Mannheimer Morgen: Grün-Rot vor Kehrtwende

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Grundbuchämter: Baden-Württembergs Justizminister will mehr Standorte erhalten / Region Rhein-Neckar als Nutznießer
Grün-Rot vor Kehrtwende

Von unserem Korrespondenten Peter Reinhardt

Stuttgart. Der neue baden-württembergische Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) will mehr Grundbuchämter erhalten als von der Vorgängerregierung beschlossen. Das Ministerium erarbeite eine "maßvolle Korrektur des bisherigen Standortkonzepts", erklärte eine Sprecherin auf Anfrage. Es gehe um die "Einrichtung weniger zusätzlicher Standorte". Konkreter wird der Weinheimer Grünen-Abgeordnete Ulrich Sckerl: "Nach der Lebenswirklichkeit muss es in der Region Rhein-Neckar auch in Zukunft ein Grundbuchamt geben." Seine Mannheimer SPD-Kollegin Helen Heberer geht "mit allergrößter Sicherheit" davon aus, dass der Standort Mannheim bleibt.

Grüne und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag auf eine Überprüfung der laufenden Reform des Grundbuchwesens verständigt. "Offensichtliche Fehlentwicklungen sollen im Interesse der Beschäftigten korrigiert werden", sagt die Sprecherin. 2008 hatte die schwarz-gelbe Regierung beschlossen, die 673 Grundbuchämter bei elf Amtsgerichten zusammenzufassen. Stickelbergers FDP-Vorgänger Ulrich Goll rechnete vor, die Zahl der 1300 Mitarbeiter ließe sich halbieren.
Standort Tauberbischofsheim

Die schärfste Kritik an dieser Konzeption kam aus der Region Rhein-Neckar. Denn für die Bürger dort sollte nach einer Übergangszeit spätestens 2017 das Amtsgericht Tauberbischofsheim zuständig werden. Als "administrative Katastrophe" geißelte Helen Heberer den Plan. 40 Mitarbeiter in Mannheim und 27 in Heidelberg müssten 280 Kilometer zum neuen Dienstsitz pendeln. Selbst der CDU-Bundestagsabgeordnete Egon Jüttner ging auf Distanz zu seinen Stuttgarter Parteifreunden: "Das ist nicht bürgernah."

Einige Merkwürdigkeiten weist das Konzept tatsächlich auf. Das Amtsgericht Tauberbischofsheim wird nach dem schwarz-gelben Gesetz für alle Grundbücher in den Landgerichtsbezirken Mannheim, Heidelberg und Mosbach zuständig. Das Amtsgericht Heilbronn müsste sich mit den Büchern des Landgerichtsbezirks Heilbronn begnügen.

Am Standort Tauberbischofsheim will Grünen-Justizexperte Sckerl aber nicht rütteln. Nur das Zuständigkeitsgebiet werde kleiner. Auch im Justizministerium stellt man den "Beitrag des Standortkonzepts zur Stärkung des ländlichen Raums" nicht infrage.

Eine Garantie hat Stickelberger dagegen dem geplanten Zentralarchiv für alle Grundbücher auf dem Gelände der ehemaligen Schuhfabrik Salamander in Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg) abgegeben. "An dem Konzept der zentralen Aktenlagerung halten wir fest", betonte der SPD-Politiker. Derzeit wird das Gebäude saniert, um die teils über 100 Jahre alten Grundbücher auf Regalen mit 182 Kilometern Länge einbruchsicher und klimatisiert unterzubringen. Der Bezug ist für 2012 geplant.

Schon seit mehr als zehn Jahren läuft die Digitalisierung der Grundbücher. Nach Abschluss der elektronischen Erfassung können an kommunalen Einsichtsstellen die Akten eingesehen werden.

Stickelberger nimmt auch andere Reformen seines FDP-Vorgängers unter die Lupe. "Im Zweifel pro Sicherheit", begründet der SPD-Mann die Kehrtwende bei der Privatisierung von staatlichen Aufgaben. "Zum frühest möglichen Zeitpunkt" will er deshalb die Verträge mit der Bewachungsfirma Kötter kündigen, die in der Justizvollzugsanstalt Offenburg für die Verwaltung, Wäscherei, Küche und Reinigung zuständig ist. Der Dienstleister stellt etwa 100 der 250 Beschäftigten. Auch die Übertragung der Bewährungshilfe an den privaten Anbieter "Neustart" kommt auf Stickelbergs Prüfstand. In beiden Fällen laufen die Verträge aber noch mehrere Jahre.

Mannheimer Morgen
17. Juni 2011

 
 

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