Mannheimer Morgen: Heftige Diskussion über die Kirche

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Lindenhof: In der Reihe "Talk am Fluss" der Landtagsabgeordneten Helen Heberer äußern sich auch Pfarrer zur Zukunft der christlichen Institutionen
Heftige Diskussion über die Kirche

Von unserer Mitarbeiterin Bettina Henkelmann

Es ging, um es gleich vorneweg zu sagen, "hoch her" bei der dritten Veranstaltung aus der Reihe "Talk am Fluss", zu der die Landtagsabgeordnete Helen Heberer (SPD) in das Gasthaus am Fluss auf dem Lindenhof eingeladen hatte. Unter der Moderation des ehemaligen ARD-Korrespondenten für Südafrika, Veit Lennartz, diskutierten der evangelische Theologe Dr. Michael Lipps, Monika Schulz-Linkholt von der Initiative "Wir sind Kirche" und der stellvertretende katholische Stadtdekan, Pfarrer Lukas Glocker, mit der Gastgeberin und zahlreichen Interessierten.

Bei der Debatte zum Thema des Abends "Kirche in der Krise? - Vertrauen verspielt oder Aufbruch wagen?" stand die römisch-katholische Kirche erst einmal allein im Blickpunkt. Viele Teilnehmer machten dabei ihrem Unmut über den für sie mangelnden Reformwillen Luft. Kritisiert wurden vor allem die Stellung der Frau in der Kirche und der Umgang mit wiederverheiratenden Geschiedenen, Homosexuellen und Lesben, sowie die rigiden Regeln der kirchlichen Sexualethik. Dauerbrenner in der Debatte war auch das Thema Zölibat für Priester.

An manchen Stellen geriet die Diskussion zu einer Abrechnung mit der Institution. "Vom Papst selbst erwarte ich gar nichts, er steht für ein Pontifikat der vertanen Chancen", so die harsche Kritik von Monika Schulz-Linkholt, die für grundlegende Reformen plädierte und dabei die Katholiken selbst in die Pflicht nehmen will: "Bei vielen fehlt mir die Protesthaltung", bemängelte sie.

Der Papst komme erst mal als Staatsgast, dämpfte Lukas Glocker überzogene Erwartungen an den Besuch des Pontifex und wollte den Blick eher auf den in Mannheim begonnen Dialogprozess lenken, der sehr ernst gemeint sei. Dabei stünden Themen wie die Zulassung von geschiedenen Wiederverheirateten zur Kommunion im Mittelpunkt. Dass etliche Bischöfe das als Thema erkennen und benennen würden, mache ihm Mut, so Glocker. Der Pfarrer, der die Seelsorgeeinheiten Mannheim-Ost und Käfertal-Vogelstang leitet und sich für eine stärkere Partizipation der Frauen in der Kirche einsetzt, wagte einen Ausblick: "Ich habe die Hoffnung, dass ich sowohl Diakonat als auch Priestertum der Frau erleben werde."

Nicht alle Diskussionsteilnehmer bescheinigten der katholischen Kirche, sich in einer Krise zu befinden. Friedhelm Klein, Vorsitzender der evangelischen Stadtsynode wollte die Bewertung nicht nur auf die Katholiken gemünzt sehen: "Die Krisenfrage unserer Kirchen ist, ob wir heute noch in der Konkurrenz der Sinnangebote überzeugen können."

Nach mehr als zweistündiger Diskussion war sich so mancher Teilnehmer mit Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki einig, der in Anlehnung an ein Brecht-Zitat jeweils das "Literarische Quartett" mit den Worten "Und so sehen wir betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen", zu beenden pflegte, oder, wie es Helen Heberer gleich zu Beginn der Veranstaltung formuliert hatte: "Alle unsere Diskussionen zu den gestellten Themen haben am Ende ein unscheinbares Zeichen, nämlich das Fragezeichen."

Mannheimer Morgen
23. September 2011

 
 

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