Mannheimer Morgen: Verfall der Sternwarte schreitet voran

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Kulturdenkmal: Aktionsbündnis will den barocken Turm retten / Maler- und Stuckateur-Innungen engagieren sich bei der Sanierung

Verfall der Sternwarte schreitet voran
Von unserem Redaktionsmitglied Susanne Räuchle

Die Sandsteingesimse bröckeln, Verputz platzt weg, die Farbe an den Fensterrahmen blättert ab - der Turm verfällt: Mannheims einst stolze Sternwarte ist zu einem Mahnmal der städtischen Finanzkrise verkommen, seit Jahren verrottet das barocke Kulturerbe, in dessen Mauern einst Wissenschaftsgeschichte geschrieben wurde. Jetzt soll mit vereinten Kräften der Niedergang aufgehalten und das architektonische Juwel gerettet werden, ehe die Sanierungskosten ins Astronomische wachsen.

Die Himmelkundler greifen nach den Sternen: Der Freundeskreis Planetarium mit Dr. Wolfgang Wacker und Roswitha Henz-Best zieht schon lange mahnend seine Kreise um die Sternwarte, Experten des Technoseums weisen auf den unhaltbaren Zustand hin, nun will die SPD-Landtagsabgeordnete Helen Heberer alle Kräfte bündeln und Bewegung in das politische Planetensystem bringen, um den Verfall zu stoppen.

Erster Akt mit der Axt
Die Sterne für das Aktionsbündnis stehen günstig, noch vor dem Tag des Denkmals am 12. September will man sich an einen Tisch setzen und bei dem Treffen die Marschrichtung festlegen mit dem Ziel, die Zukunft wertvoller historischer Substanz zu sichern.

Als erste Amtshandlung wird nun zur Axt gegriffen: Der Urwald aus Götterbäumen, die rund um die Sternwarte höllisch austreiben, muss gerodet werden. Baubürgermeister Lothar Quast und der Leiter des Fachbereichs Straßenbau und Grünflächen, Markus Roeingh, haben zugesagt, dass die Säge schon in den nächsten Tagen kreisen wird und dass die wildwuchernden Probleme bei der Wurzel gepackt werden.

Als nächsten Schachzug in Sachen Turm wollen Heberer und ihre Mitstreiter abklopfen, wie Stadt und Land die Eigentumsrechte an dem 33 Meter hohen Bauwerk gestalten wollen. Denn der Grund und Boden gehört dem Land. Das übergab die Sternwarte 1940 in die Obhut der Stadt, die sich um das kurfürstliche Achteck kümmern sollte. 2021 fällt nun das Gemäuer zurück an den Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg. Der ließ aber bereits durchblicken, dass er kein höheres Interesse hat an der "Minus-Immobilie" habe. Diese Besitzverhältnisse müssen möglichst schnell geklärt werden, und dann will das Aktionsbündnis endlich auf den Putz klopfen und an der Fassade kratzen. Tätige Hilfe bei dem Rettungsunternehmen kündigt auch die Mannheimer Handwerkerzunft an. Die Maler- und Lackierer-Innung sowie die Stuckateure wollen sich in Lehrlings-Projekten für das barocke Denkmal engagieren, die seit Jahren von einem Bauzaun umgürtet ist, um Passanten vor Steinschlag zu schützen.

Weitere Gewerke sollen gewonnen werden, um die große Hausaufgabe unter Dach (das leckt) und Fach zu bringen, und zumindest die Fassade zu retten, ehe die Kosten vollends ausbrechen. In einer Kalkulation von 2008 hatte man allein die Fassadensanierung bereits auf 750 000 Euro taxiert. Wie es im Wendeltreppengehäuse weitergeht, steht in den Sternen. Über ein neues Nutzungskonzept, so Heberer, muss nachgedacht werden. Seit über 50 Jahren haben Mannheimer Künstler die gewaltigen, zum Teil sieben Meter hohen Räumlichkeiten als Fixsterne in Beschlag. Schon zum Mozartjahr 2006 war über eine neue "Bespielung" nachgedacht worden, wurde davon geträumt, allen Mannheimern das einmalige Höhenerlebnis auf dem Dach zugänglich zu machen. Doch davon scheint man noch himmelweit entfernt.

Mannheimer Morgen
5. August 2010

 
 

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