Mannheimer Morgen: Fragen, reden, antworten

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Wunder der Prärie: Mit Performance, Ausstellung und Podiumsdiskussion spannt das Mannheimer Festival einen weiten Bogen
Fragen, reden, antworten

Von unserem Redaktionsmitglied Ralf-Carl Langhals

"Wieso, weshalb, warum - wer nicht fragt, bleibt dumm!" Immer noch haben wir Fragen, die nicht eindeutig zu beantworten sind. Reden hilft. Melanie Mohren und Bernhard Herbordt machen das Fragen zum Thema ihrer inszenierten Ausstellung "Alles was ich habe # 4: Reden". Zu 170 Fragen assoziieren sie 1612 Fragmente aus Kunstwerken, Gesprächen und Recherchen. "Ist alles, was wir haben, im Kopf?", "Können wir über alles reden?" lauten diese komplexen Fragen, deren Beantwortung in einer Versuchsanordnung im Studio der Alten Feuerwache in Mannheim kleinteilig wie flächendeckend zu entdecken ist.
Suche nach fremden Gedanken

Licht geht an und aus, Menschen lesen an Tischen, stehen vor Zetteln. Hölderlins Worte "Denn keiner trägt das Leben allein" tauchen dabei ebenso auf wie Samuel Becketts "Das letzte Band". Gebt ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken: Schnipsel und Notizen finden sich auf Stellwänden, Tonspuren und Bildschirmen. Man ergeht sich in fremden Gedanken, immer auf der Suche, sie nachvollziehen zu können. Es ist ein ambitionierter Versuch, das Leben in seiner Komplexität zu begreifen. "Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen", wusste Goethe, doch zufrieden geht hier sicher dennoch nicht jeder aus dem Haus.

Mut zur Heiterkeit hatte man indes im Anschluss im Festivalzentrum: Bill Aitchison und Katja Dreyer arbeiteten sich in ihrer Performance "Indifference" an der Freiheit des Willens ab, kurioserweise mit Macarena und Ententanz - bis zur finalen Hirnerweichung. Urlaubslieder und vergnügungssteuerpflichtiger Modetanz à la Club Med werden zum Vehikel einer gefühlten Freiheit in der Tretmühle, die letztlich vom Kapitalismus zur Erhaltung der Arbeitskraft gesellschaftspolitisch verordnet ist. Dieser mit Rambazamba heftig aufgesprudelte Karl Marx hinterlässt in schweiß- und wassertriefender Dauerschleife mehr Fragen als Antworten, aber erstere sind ja mottogemäß auch nötig, wenn es bei einem Festival heißt: "Das Unmögliche wagen".

Fragen und Antworten gab es in der Fahrzeughalle der Feuerwache auch bei der Matinee mit kulturpolitischen Vertretern der neuen Landesregierung. Dort äußerten sich die Landtagsabgeordneten Sabine Kurtz (CDU), Helen Heberer (SPD) und Manfred Kern (Grüne), Mitglieder diverser Ausschüsse aus den Bereichen Kultus und Kunst und kulturpolitische Sprecher ihrer Fraktionen, zu den neuen wie alten Richtlinien baden-württembergischer Kulturpolitik. In der von Thomas Kraus, Leiter des Kulturbüros der Metropolregion, moderierten Publikumsdiskussion war zudem für die Landtags-FDP die Mannheimer Gemeinderätin Elke Wormer eingesprungen. Fraktionsübergreifend war zu berichten, dass die Kulturkonzeption 2020 weiterhin ein wesentlicher Teil des Koalitionsvertrages ist. Eigenlob gab es für das Ländle und dessen Entscheidung, Aspekte der interkulturellen Bildung künftig stärker zu fokussieren. Ob sich dies nun mit "neuem" oder altem (Stiftungs-)Geld, durch Umverteilungen aus dem Wettmittelfonds oder einem künftig neuen Topf der Wissenschaftsförderung speisen soll, das werde sich bald entscheiden, kündigte Heberer an. Ästhetische Kompetenzen der Politik, stärkere Selbstbeteiligung aktiver Künstler, Leuchtturmförderung und "Kunst in der Fläche" wurde dabei ebenso berücksichtigt wie Mannheims Bewerbung zur Kulturhauptstadt sowie die Planung eines Produktionszentrums für Darstellende Künste, wobei sich die Gemeinderäte Elke Wormer, Gerhard Fontagnier (Grüne) und Achim Weizel (ML) ebenso rege beteiligten wie Kulturamtsleiterin Sabine Schirra und NTM-Dramaturg Jan-Philipp Possmann.

"Einiges, was bei der 'Autosymphonic' ohne Sponsoren nicht möglich gewesen wäre, wäre vielleicht auch nicht nötig gewesen", formuliert Kern das Großereignis, bei dem Weizel allerdings "keinen Mercedes-Stern gesehen" hat. Ebenso verwahrte sich Weizel gegen Kerns Verwunderung über die seiner Ansicht nach "korzgschtumbte" Ablehnung einer Machbarkeitsstudie für ein Produktionszentrum (50 000 bis 90 000 Euro) durch den Gemeinderat. War man nach Verlassen von Feuerwache oder Zeitraumexit schlauer? Nicht unbedingt, aber man hatte sich eben wieder einmal über Notwendiges ausgetauscht - und so schließt sich der Kreis: "Alles was ich habe: Reden."

Mannheimer Morgen
12. September 2011

 
 

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